Am 05. Oktober 2017 erschien ein Artikel von Sybille Neth über mein „Lieblingsstück“ in verschiedenen Medien. Zum einen Online bei den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung.
www.stuttgarter-zeitung.de/lieblingsstueck
Einen Tag später auch in den jeweiligen Printausgaben.
Wie kam es zu dem Beitrag? Was lässt sich nicht in 1800 Zeichen erzählen?
Lieblingsstück Ines Witka: Der 30 Kilo schwere Bildband
Damit ist der Fotobildband von Helmut Newton SUMO gemeint. Und es begann mit einer „Anfrage von Ihrer Homepage.“ Wenn das in der Betreffzeile meines Mailprogrammes steht, dann sind das meist Angebote für Schwerregale, Potenzpillen und sexy Frauen. Doch diesmal war es etwas sehr erfreuliches: Sybille Neth, die für den Lokalteil und für die Innenstadt-Ausgabe der Stuttgarter Tageszeitungen schreibt, lud mich ein bei einer Serie dabei zu sein. Sie schrieb: „Immer freitags lassen wir in der Stuttgarter Zeitung und in den Stuttgarter Nachrichten im Lokalteil von einem Stuttgarter/ einer Stuttgarterin ein Lieblingsstück vorstellen. Das kann alles sein vom Fingerring bis zum Sessel, vom Nippesfigürchen bis zum Gemälde oder zur Vespa. Nur: es solle eine Geschichte dazu geben, die begründet, weshalb es ein Lieblingsstück ist. Dieser persönliche Bezug ist wichtig. Der materielle Wert des Stückes ist völlig egal. Sicher habe Sie auch so eines!
Es wäre schön, wenn ich Sie für diese Idee gewinnen könnte.
Ich würde dann zusammen mit einem unserer Fotografen bei Ihnen vorbei kommen, um ein kurzes Interview zu führen. Das dauert etwa 30 Minuten.“
Ich schrieb zurück, dass ich gern dabei sei, allerdings habe ich dann die Qual der Wahl, denn meine Wohnung ist voller Lieblingsstücke – das legendäre SUMO-Buch von Helmut Newton, die Vase „Medusa“ von Heike Mühlhaus by:Cocktail oder etwas aus meiner Sammlung an Kunst und Nippes, das sich mit dem Thema Erotik auseinandersetzt.
Nach der Terminvereinbarung ging es los mit dem Gedanken machen. Was kann ich Spannendes zu dem Buch erzählen, das wiederum auch Rückschlüsse auf mein Schreiben und meine Person zulässt? Mein Wunsch dabei wäre, dass der Artikel dezent ein wenig Marketing für mich als Autorin ist.
Doch das war nicht der einzige Grund, warum ich mich freute, bei dieser Serie mitzumachen. Die Idee, die ihr zugrunde liegt, deckt sich mit einer meiner Schreibaufgaben, die ich in meinen Schreibwerkstätten auch gerne stelle: Ich bitte die TeilnehmerInnen einen Gegenstand mitzubringe, zu dem sie eine besondere Beziehung haben oder der in ihrer Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Als Schreibpädagogin weiß ich, wie schnell Menschen ins Erinnern und dann ins Schreiben kommen, wenn sie einen emotional wichtigen Gegenstand in Händen halten.
Auch empfehle ich meinen TeilnehmerInnen in Bildbänden zu blättern, wenn sie über einen Ort schreiben möchte, den sie nicht selbst besuchen können oder ins Kunstmuseum zugehen, um sich vielfältige Anregungen zu holen.
Welche Anregungen kann man sich bei Helmut Newton holen? Mein Thema als Schriftstellerin ist die Erotik. Helmut Newton war Fotograf, sein Sujet war neben der Modefotografie und Prominenten-Porträts der weibliche Körper und seine erotische Ausstrahlung. Das was er in seiner Fotokunst beherrschte, versuche ich mit Worten. Prickelnde Situationen einfangen, Bilder im Kopf entstehen lassen, ein Knistern erzeugen.
Helmut Newtons Fotos inspirieren zu Geschichten
Es ist eine wunderbare Inspiration in dem Buch von Helmut Newton zu blättern, da springen mich die Geschichten förmlich an. Es finden sich spannungsgeladene Szenen im Hotel, in der nächtlichen Stadt, in großen Büros, in Parks. Sie wirken als Teil einer filmischen Erzählung.
Ich liebe es, wie Newton mit seinen Bilder Geschichten erzählt. Umgeben von einer knisternden Atmosphäre des Verruchten, des Sündhaften, des Perversen scheinen die Frauen oft in aufregende Situationen zu geraten oder gar in ein Verbrechen verwickelt zu sein. In der Art wie sie posen versprechen sie Sex voller Leidenschaften. Seine Bilder erregen, meine Geschichten hoffentlich auch.
Frauen erscheinen in seinen Fotografien stark, ihre Wirkmacht scheint ganz und gar aus ihrer Sexualität zu kommen. Sie sind nicht perfekt, immer ein bisschen über der Norm. Alles was man auch für literarische Figuren braucht.
Außerdem degradiert er Frauen nie zu Objekten. Das mache ich in meinen erotischen Geschichten auch nicht. Mir ist es ebenso wie ihm wichtig, dass die Frauen eine selbstbestimmte Erotik leben. Ich finde seine Bilder weder als frauenfeindlich noch sexistisch. Ich erlebe die Frauen als Herrinnen ihrer eigenen Sexualität.
Ich würde sogar so weit gehen, dass mich seine Fotografien in meiner Sexualität beeinflusst haben. Wann hat man den in den 1980er Jahren solche starken Frauen gesehen wie die Big Nudes oder wie die auf den Betrachter zumarschierenden Nackten.
„Sie kommen“ nannte Newton das Foto. Sie kommen und retten uns – so kann man das interpretieren. (Diese Worte sollen deutsche Soldaten ausgerufen haben, als die Alliierten 1945 in der Normandie landeten – Newton zeigt Frauen also auch als Rettung aus der Gewaltherrschaft.) oder sie kommen und werden stark sein und sich nicht mehr klein machen lassen.
Seine Aktfotografie hat mit Pornografie wirklich nichts zu tun, das ist etwas anderes. Auch ich schreibe nicht pornografisch, auch wenn es zur Sache geht.
Wie kam ich an das Buch?
SUMO wurde 1999 vom Taschen Verlag (www.taschen.com ) herausgegeben. Ich fand den Fotograf schon immer sehr spannend und war auch in Berlin in der Newton Bar gewesen, in der die Big Nudes hängen oder in einer Ausstellung mit seinen Werken. Er war mir also bereits bekannt bevor das Buch erschien.
Das Buch war schnell ausverkauft und ich war traurig, dass ich zu lange gezögert hatte. Doch dann gab es plötzlich ebay. Und ich dachte, okay warum nicht nach diesem Buch suchen? Und tatsächlich, ich konnte mein Glück kaum fassen, wurde es dort angeboten und ich habe es ersteigert.
Das Buch SUMO hatte schon seinen Auftritt in einer Kurzgeschichte und wird auch in meinem nächsten Roman eine Rolle spielen, denn ich habe um das Buch herum schon einige tolle Geschichten erlebt.
Wer mehr über Helmut Newton erfahren will kann das Museum für Fotografie in Berlin besuchen. Dort hat die Helmut-Newton-Stiftung (www.helmut-newton.de) ihren Sitz. Viele seiner Arbeiten und ein paar persönliche Sachen sind ausgestellt.
Das Buch von Helmut Newton kann ich nicht in Händen halten, es wiegt 30 kg und wird mit einem von Philippe Starck entworfenen Buchständer geliefert, mit dessen Hilfe sich das Buch perfekt präsentieren lässt. Es ist das größte Buch des 20. Jahrhunderts gewesen. SUMO hat ein Maß von 50 x 70 cm, ein Gewicht von ca. 30 kg. Die meisten Fotos sind schwarz/weiß, ein paar Farbaufnahmen sind auch darunter. SUMO enthält über 400 formatfüllenden Abbildungen. Sie decken jeden Aspekt von Newtons fotografischem Werk ab: Modefotografien, Aktaufnahmen und Prominenten-Porträts.
So ungefähr hatte ich mir den Text ausgedacht und hoffte nun auf entsprechende Fragen von Sybille Neth. Lest selbst, was sie dann letztendlich daraus gemacht hat.
Ich jedenfalls finde den Artikel sehr gelungen.
Pingback: Von A - Z: Was habe ich erfahren, gewagt oder auch verloren im Jahr 2017? - Ines Witka