Rechtliche Fallstricke beim Schreiben und Veröffentlichen

„Was ich schon immer über meine Rechte beim Schreiben und Veröffentlichen wissen wollte: So vermeide und löse ich Ärger“. Als ich dieses Seminar über den Newsletter des Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V. (BVjA) angeboten bekam., war klar, dass ich es buche. Ich unterrichte Biografisches Schreiben / Autobiografisches Schreiben / Schreiben auf Reisen, also Formen, bei denen die Lesenden erwarten, dass alles der Realität entspricht. Da werde ich immer wieder mit den Fragen konfrontiert, was man über seine Familie und Freunde schreiben darf.

Mit diesem Artikel gebe ich euch Einblicke in das Rechtsseminar, das ich am 28. Mai 2022 online besuchte. Es wurde von Tobias Kiwitt gehalten, Rechtsanwalt und BVjA-Vorstandssprecher.

Wer, wenn nicht ein Rechtsanwalt, der schwerpunktmäßig auch auf dem Gebiet für Urheber- und Medienrecht tätig ist, weiß, worauf man beim Schreiben aus juristischer Sicht achten muss. Und dass es einige Fallen gibt, ist jedem klar. Sind uns doch einige Medienmeldungen gut im Gedächtnis: Guttenbergs Plagiate und der Roman „Esra“ von Maxim Biller. Guttenberg hatte Textpassagen von anderen Autoren in seiner Doktorarbeit übernommen, ohne sie zu kennzeichnen. Dies ruinierte seine politische Karriere. Das Gerichtsurteil zum Roman „Esra“ von Maxim Biller wird immer wieder zitiert, wenn es um die Frage geht – Kunstfreiheit versus Persönlichkeitsrecht. In diesem Fall – so kann man überall nachlesen – überwog das Persönlichkeitsrecht der ehemaligen Freundin des Autors, die sich in der Romanfigur „Esra“ erkennbar nachgezeichnet sah.

Zuerst sammelte Tobias Kiwitt Fragen. Anhand der Fragen ließ sich gut erkennen, in welchem Genre die Einzelnen unterwegs sind – Liebesroman, Fantasy, Krimi, Kinderbuch usw. und eine Lektorin. Unsere Fragen sortierte Tobias in seine Schwerpunkte ein und versprach sie dort zu beantworten. Seine Schwerpunkte waren: „Buchtitel, Plagiat, Ideenklau, Zitate, Persönlichkeitsrechte, Fortsetzung bekannter Werke, Pseudonym“ und nach der Pause „Probleme mit dem Verlag / Worauf achten beim Verlagsvertrag.“

Darf ich einen Liedtitel als Buchtitel nehmen?

Bei dem Punkt Titel war der Informationsbedarf hoch. Die Fragen der Teilnehmenden gingen ins Detail: „Darf ich denn einen Liedtitel als Buchtitel nehmen?“ „Sind Einwort-Titel geschützt? Beispielsweise ANGST?“ „Darf ich englische Titel eindeutschen und verwenden?“ „Darf ich einen Titel verwenden, den es schon gibt?“

Generell kommt es wohl darauf an, ob es für die Nutzung (Liedtext) so etwas wie eine innere Berechtigung gibt, einen Zusammenhang zum Buch, eine innere Logik, es allgemeingültige Wörter (Schuld) – Wendungen (Alles wird gut) – Gattungsbegriffe sind, die nicht geschützt sind. Auch kommt es auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung, Verfügbarkeit auf dem Markt, Markenrechte usw. an. Es gibt also nicht eine Antwort. Da es sich um juristische Themen handelt und es dabei auf jedes Detail ankommt, möchte ich keine Antworten von Tobias wiedergeben.

„Was passiert, wenn ich einen Titel genutzt habe, den ich nicht verwenden darf?“, wollte eine Teilnehmerin wissen. Die Folgen sind Unterlassungsanspruch, Auskunftsanspruch, Schadenersatzanspruch. Also lieber kein Risiko eingehen und sorgfältig prüfen!

Erst nach 30 Minuten waren alle Fragen dazu geklärt. Ich fand das sehr kurzweilig, weil daran deutlich wird, mit was für Fragen wir uns noch außerhalb des Schreibens herumschlagen.

Beim Zitat kommt es auf den Einzelfall an

Als Schreibende ist uns das Plagiat natürlich bekannt. Wir wissen, dass wir keine Passagen klauen. Was Tobias zum Zitat sagte, habe ich von seiner Folie, gezeigt am 28. Mai 2022, genommen: „Die Passage muss eine individuelle sprachliche Qualität haben. Sowohl in belletristischen, dramatischen und lyrischen Werken, als auch Sachbüchern möglich. Länge des Zitats nicht entscheidend.“

Auch im Roman gilt, was für das Sachbuch gilt: deutlich machen, dass es eins ist und im Anhang nennen, woher das Zitat stammt (Ort und Zeit). Tipp von Tobias: Überlege, wie wichtig es ist, dass man genau das Zitat nennt. Auch das Verwenden von Serientiteln kann schon problematisch sein, wenn man etwas Negatives über die Serie sagt, was dem Rechteinhaber des Films nicht passt und es nicht im Bereich der Meinungsäußerung liegt.

Dazu kamen viele Rückfragen. „Im Internet stehe, dass man keine Liedtexte verwenden darf ohne eine Lizenz zu kaufen. Es sei immer eine Urheberverletzung.“ „Die Liedzeile / Gedichtzeile ist für meine Handlung unerlässlich und ich kann nicht darauf verzichten?“ Es kommt wirklich auf den Einzelfall an, ob man das u. U. machen darf. Um einem Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen, lieber nachfragen, ob man aus dem Song / Gedicht zitieren darf. Schmuckzitate, Liedzeilen als Überschriften oder verzichtbare Zitate dürfen nicht verwendet werden.

Ideen sind nicht geschützt

Länger haben wir uns mit dem Ideenklau beschäftigt. Besonders interessant war für mich, dass Ideen nicht geschützt sind. Beispiel von Tobias: Die Idee eines Zauberschülers, der eine Zauberschule besucht ist nicht geschützt. Der Zauberschüler muss jedoch von Zauberschülern, die es schon gibt, gut unterscheidbar sein, darf also nicht auch Harry Potter heißen. Vor Ideenklau kann man sich nicht schützen, aber vor dem Klau des Werkes oder einer ausgefeilten Figur (Name, Aussehen, Verhalten), in dem man das Manuskript an sich selbst in einem gut versiegelten Umschlag schickt und der Poststempel des Datums deutlich zu sehen ist. Der Umschlag darf danach nicht mehr geöffnet werden. Die Angst, dass jemand die Idee klaut – sogar der Verlag – sitzt tief. In der Praxis spielt das jedoch keine große Rolle.

Auch die Fortsetzung bekannter Werke ist natürlich nicht erlaubt , solange der Urheber (oder die Erben) noch die Rechte daran haben.

Persönlichkeitsrechtnicht zu nah an der Realität

Persönlichkeitsrecht ist ebenfalls ein großes Thema – nicht nur beim (auto-)biografischen Schreiben, bei dem es auf den Wahrheitsgehalt ankommt und natürlich auch andere Charaktere wie Freunde, Verwandte, Geschwister darin vorkommen. Solange keine intimen Details preisgegeben werden und die Personen nicht schlecht wegkommen, kann man über Eltern und Geschwister usw. schreiben, da sie ja Teil der eigenen Biografie sind. Letztendlich hängt es vom Wortlaut ab, ob man sich die Erlaubnis der beschriebenen Personen einholen muss.

Wenn dabei Situationen geschildert werden, die sich mit Nachbarn usw. abgespielt haben, sollte man sie so zeichnen, dass es keinen Wiedererkennungswert für Dritte gibt.

Wenn man den Text einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchte und die Personen keine Person des öffentlichen Lebens ist, ist wenig möglich, auch wenn es den Tatsachen entspricht.

Ein Teilnehmer hatte bei seinen Erzählungen, die eng an der Realität sind, das Problem, dass eine Person sich wiedererkannte und mit rechtlichen Schritten gedroht hat. Es ist also nicht ungewöhnlich, Autoren zu empfehlen sich mit den Fragen um das Persönlichkeitsrecht auseinanderzusetzen. Als Faustregel gilt: Entscheidend ist, ob kein Dritter, auch kein naher Angehöriger, die Person erkennen kann oder herausfinden könnte, wer es ist.

Generell dürfen Autoren nicht unter dem Schutz der Kunstfreiheit reale Personen diffamieren, falsche Tatsachen behaupten, keine intime Dinge preisgeben, auch nicht, wenn die Bezeichnung Roman bzw. autobiografischer Roman nahelegt, dass es sich dabei (teilweise) um Fiktion handelt. Denn wie sollen die Lesenden erkennen, welche Passagen fiktiv und welche real sind?

Außerdem erfuhr ich, dass es sogar postmortale Persönlichkeitsrechte gibt. Auch da ist eine Rechtsprechung vorhanden: 1971 verbot das Gericht den Roman „Mephisto“ von Klaus Mann. Er habe die postmortalen Persönlichkeitsrechte des in der Handlung erkennbar geschilderten Gustav Gründgens verletzt.

Bei Romanen sollte sich generell niemand wieder erkennen. Selbst wenn man aus dem eigenen Umfeld schöpft, kann jeder die Figuren so verfremden, dass sie zu Kunstfiguren werden. Hier zitiert Tobias natürlich „Esra“, das Buch, das nicht mehr veröffentlicht werden durfte, weil die Geliebte und ihre Familie eindeutig erkennbar waren.

Auch für historische Romane ist das Persönlichkeitsrecht interessant. Familiendynastien sind gerade im Trend. Achtung: Erben können Ansprüche auf das Einhalten des Persönlichkeitsrechts haben. Auch hier kommt es wieder auf das Detail an, egal wie lange die Personen tot sind. Wenn man sich an den bekannten Realitäten orientiert und man nichts dazu behauptet, was jemanden diffamiert, geht es. Im Zweifel, Erlaubnis einholen oder Familiendynastie erfinden.

„Kann mein Protagonist eine bekannte Persönlichkeit treffen?“ Wenn es deutlich ist, dass es rein fiktiv ist, die Person nicht verletzt oder diffamiert wird und es für die Handlung notwendig ist, ist es möglich. Es darf dabei nichts über ihn behaupten werden, was er nicht getan hat. Eine bessere Lösung ist es jedoch einen fiktiven Charakter zu erfinden. Selten ist es für das Buch zwingend notwendig, dass es genau jene reale Person ist.

Darf eine Marke genannt werden?

Zum Markenrecht gab es viele Fragen: Darf „Dr Oetker“ oder „Media Markt“ genannt werden? Darf ein Protagonist einen VW Käfer fahren? Darf man den SUV einer bestimmten Marke als Dreckschleuder bezeichnen? Alles Probleme die wir aus dem Schreiballtag kennen. Auch hier gilt wohl, dass Markennamen verwendet werden dürfen. Jedoch wenn sie diffamierend oder geschäftsschädigend sind, wird es problematisch, außer es sind allgemeingültige bekannte Fakten (Dieselskandal). Tipp von Tobias: Markennamen vermeiden.

Pseudonym

Viele Schreibende überlegen, ob sie sich ein Pseudonym zu legen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der eigenen Name gefällt nicht oder passt nicht zum Genre. In der Firma oder privat soll niemand erfahren, dass man schreibt. Ein Pseudonym kann sich jeder erfinden. Allerdings darf es nicht so gewählt werden, dass es an eine bekannte Persönlichkeit erinnert und damit Verwechslungsgefahr besteht. Selbst auf die Frage, ob man Micky Maus als Pseudonym verwenden darf hatte Tobias die Antwort: Darf man nicht, da der Name wiederum über das Markenrecht geschützt ist.

Kniffliger wird es allerdings, wenn tatsächlich niemand erfahren soll, wer hinter dem Pseudonym steckt und man Selfpublisher ist, denn Bücher, Webseiten, selbst facebook-Seiten benötigen eine ladungsfähige Adresse. Dazu habe ich euch einen Artikel von Matthias Matting verlinkt, der sich damit beschäftigt: „Das Pseudonym und das Impressum im Buch“.

Verlagsvertrag

Die letzte Stunde beschäftigte sich Tobias mit dem Verlagsvertrag. Auch eine spannende Sache. Das wäre einen eigenen Artikel wert, ist jedoch schon auf vielen anderen Seiten besprochen. Das aktuellste Gespräch, das Tobias dazu führte findet ihr auf der Podcast-Seite von „Die Zwei von der Talkstelle“ Folge 125: Rechte und Fallen beim Verlagsvertrag: Autor und Rechtsanwalt Tobias Kiwitt klärt auf

Mein Fazit:

Superspannende Antworten auf unsere Fragen, sachlich und ruhig erklärt. Beeindruckend wie Tobias seine roten Fäden fest in der Hand hielt, auch wenn wir Teilnehmenden immer wieder Zwischenfragen stellten. Wie sagt man so schön? Alle meine Erwartungen wurden erfüllt und wie aus dem Feedback der anderen herauszuhören war, ging es ihnen ebenso. Am Ende stellte er uns die 21 Folien von seinem Vortrag zur Verfügung.

In leicht abgeänderten Form war dieses Beitrag in der QWERT 2/2022 veröffentlicht. QWERTZ ist das Mitgliedermagazin des BVjA e.V. und erscheint viermal im Jahr.