Buchcover Theater der Lust Magie

Theater der Lust - Magie

Es wird magisch: Ines Witka komplettiert die Trilogie »Theater der Lust«. Das vielschichtige Spiel im Liliths Secret Theatre geht weiter.

Viktoria ergreift die Chancen, die sich ihr durch die Arbeit beim Theater eröffnen. Ihre Ménage-à-trois mit Gil und Ralf, den Besitzern des Theaters, erreicht ihren erotisch-experimentellen Höhepunkt. Schon glaubt Viktoria ihre eigenen gewalttätigen Fantasien überwunden zu haben, da tauchen die quälenden Dämonen wieder auf und bringen sie schließlich in Lebensgefahr.
Viktoria erkennt: Sie muss und will den Untiefen ihrer Seele auf den Grund gehen. In einer außergewöhnlichen Inszenierung stellt sie sich ihren »höllischen« Widersachern und kommt einem Familiengeheimnis auf die Spur, dessen Botschaft weit über ihre eigene Geschichte hinausgeht.

»Magie« ist nach dem Roman »Rausch« und »Mut« der 3. Band aus der Trilogie »Theater der Lust«.

Ines Witka
Theater der Lust - Magie
Band 3
Umfang: 284 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-948161-07-1
VK: 12,99 €
Gatzanis Verlag, Stuttgart 2021
www.gatzanis.de

Auch als E-Book: 6,99 EUR, überall wo es EBooks gibt und bei Amazon

Coverfoto: © Vince Voltage

Seit der Trennung von Ex-Mann Alexander spielt sich Viktorias intensive Selbst-Suche nicht nur in lustvoll-erotischen Settings des Liliths Secret Theaters ab, sondern steht exemplarisch für einen Erkenntnisweg, den viele Frauen derzeit gehen. Auch deshalb baute Ines Witka mit der Trilogie „Theater der Lust“ die „Genre-Nische“ aus, die sie mit ihren bisherigen Romanen geöffnet hat: „LeserInnen haben eine bestimmte Erwartung, wenn sie ein bestimmtes Buch wählen: Das Genre bietet Orientierung, dass sie finden, was sie mögen. In einem erotischen Roman will man heiße Szenen, in einem Krimi einen Mord, was nicht heißt, dass man seinen Leser nicht innerhalb des Genres überraschen darf“, so Ines Witka. „Wo ich meine Bücher einordne? Ich würde sagen im Genre ‚Feministischer erotischer Roman‘ – das gibt es noch nicht. Gleichzeitig schreibe ich gegen das Genre-Vorurteil ‚erotische Romane sind seicht‘ an. Ich finde, sie haben großes Potenzial, Frauen und ihre Sexualität aus Schubladen zu befreien, in die man sie gerne steckt, wenn sie ihre Wünsche ausleben.“

»Janina Gatzky, Co-Herausgeberin des Magazins Séparée: »Explizite Erotik mit psychologischem Tiefgang! Theater der Lust ist ein Gegenentwurf zu einem lustfeindlichen Feminismus. Es zelebriert die Kraft der Sexualität und ist ein Plädoyer für den enttabuisierten Umgang mit weiblicher Lust. Ein Buch, das Mut macht, sich von den Dämonen der eigenen Vergangenheit zu befreien, selbstbewusst mit der eigenen Libido umzugehen und Fantasie in intensives (Er)Leben zu übersetzen.«

Textprobe aus "Theater der Lust – Magie" von Ines Witka

Die ersten Frauen betreten das Theatercafé. Kurze Zeit später wimmelt es von neugierigen Besucherinnen, und die meisten drängen sich an der großen Theke. Ich schenke Begrüßungssekt und Säfte aus und verweise auf die Namensetiketten. Um Frauen anzusprechen, die sich in einem besonderen Rahmen über weibliche Sexualität austauschen wollen, hatten wir Plakate im Theater, im Dark Light, am schwarzen Brett der Universitäten und in verschiedenen Kultureinrichtungen der Stadt aufgehängt. Nun zeigt sich, dass sich viele unserer Besucherinnen bereits kennen oder schon mal Sophia, Ella oder Gil begegnet sind. Der Salon sollte längst beginnen. Doch überall unterhalten sich die Frauen angeregt in Grüppchen.
Gil wartet zwanzig Minuten, dann steigt sie auf die Minibühne. Sie breitet ihre Arme weit aus und begrüßt alle Anwesenden mit einem charmanten Lächeln. »Guten Abend. Danke, dass ihr alle gekommen seid. Es bedeutet mir viel«, sagt sie und legt eine Hand auf ihre Brust. »Was ich heute mit euch beginnen möchte, ist mir und meinen Freundinnen eine Herzensangelegenheit.«
In ihrer einladenden Geste sind wir drei, Ella, Sophia und ich, eingeschlossen. Wir haben uns neben dem Podium aufgestellt, damit die Frauen wissen, wen sie ansprechen können.
»Gemeinsam mit euch möchte ich einen Forschungsraum eröffnen.« Sie verstummt, und der kurze Moment ihres Schweigens verleiht diesem Angebot eine besondere Bedeutung.
»Vorher möchte ich noch ein paar Vorurteile über den angeblich lustfeindlichen Feminismus zur Seite räumen.« Ihre Stimme ist klar und laut. »Ja, ich weiß. Dieses Wort hört ihr nicht so gerne. Ich hoffe, ihr verschließt jetzt nicht gleich eure Ohren.«
Schützend legt sie die Hände auf ihre eigenen. Ein paar Frauen lachen.
»Man will uns einreden, Feministinnen seien Spaßbremsen und das nur, weil wir klarstellen, dass der Körper der Frau keine Ware und Sexualität keine Währung ist. Sex braucht Einverständnis. Ein Ja, ich bin einverstanden, dass du mich berührst, und das Ja zur sexuellen Handlung an sich. Darum geht es uns.«
Sie hält einen Moment inne, um ihren Worten eine stärkere Wirkung zu verleihen.
»Feministinnen sind keine Spaßbremsen, nur weil sie die gewalttätigen und frauenfeindlichen Darstellungen in Sexvideos, Computerspielen und Werbung satthaben. Klar verdirbt das den Männern den Spaß, die immer noch an die Überlegenheit des Mannes glauben. Das ist allerdings deren Problem.«
In meinem »vorigen« Leben, wie ich die Zeit nenne, bevor ich das erste Mal im Liliths auftrat, kannte ich keine Frau, die Gil auch nur ansatzweise ähnlich war. Ihr zuzuhören ist für mich jedes Mal eine Offenbarung. Ihr zuzusehen, wie sie mit wenigen anmutigen Gesten Glaubenssätze beiseite wischt, ist beflügelnd.
»Immerhin reden wir bereits darüber, was wir nicht möchten. Das ist fantastisch. Doch wir reden immer noch viel zu wenig darüber, was wir mögen. Was geht in eurem Kopf vor, wenn ihr Sex habt? Das ist eine sehr persönliche Frage. Und vielleicht fürchten wir uns, darauf zu antworten. Weil die Antwort nicht in unser Bild von Gleichberechtigung passt? Weil weibliches Begehren verurteilt wird, sobald es nicht der Norm entspricht? Auch von Frauen. Doch wie kann es für Begehren eine Norm geben? Wie wollen wir unsere erotische Vorstellungswelt, die Art unseres Verlangens und unsere Wünsche erweitern, wenn wir nicht darüber sprechen? Deshalb die Frage: Was und wie begehren Frauen? Du, ich, wir?«
Mir wird heiß und kalt zugleich. Da ist sie, die Frage, auf die ich eine Antwort habe, die mir nicht gefällt, und ja, ich will nicht darüber sprechen. Grundsätzlich finde ich es wichtig, jeden Menschen zu achten. Und das tue ich auch. Gewalt lehne ich ab, und dennoch spiele ich mit diesem Kick. Der Fürst ist stark, schön und faszinierend. Er darf mich würgen, er darf mich schlagen, und er darf mir sagen, dass er weiß, was ich brauche und das sind weitere Schwänze. Den vom Hünen und den vom Prinzen, und alle drei wissen, dass ich grob genommen werden will. Mein Körper reagiert auf diese Sexszenen in meinem Kopf mit starker Erregung, obwohl oder gerade weil es ein Hardcore-Porno ist. Diese Herren der Hölle, so nenne ich sie, sind mein Dilemma, und sie existieren schon seit Langem in einem Paralleluniversum in mir. Waren sie früher zuverlässig nach jeder Auseinandersetzung mit Alexander aufgetaucht, sind ihre Auftritte zwar weniger geworden, doch nicht minder intensiv. Ich werde hier nicht über meine gnadenlosen Geister sprechen, das habe ich mir fest vorgenommen.
Gil kennt meine Fantasien und hilft mir, sie einzuordnen und manchmal auch auszuleben.
Seitdem gelingt es mir immer öfter, sie wegzuschieben. Warum ist das überhaupt wichtig? Weil ich jedes Mal, wenn es mir nicht gelingt, hinterher den Menschen verachte, den ich eigentlich lieben sollte: mich.
Ich straffe meine Schultern. Und merke, dass ich den größten Teil von Gils Rede verpasst habe.
»Wenn wir frei von Ängsten und Tabus ausprobieren könnten, was wir erleben möchten, was wäre das? Was finden wir in uns, wenn wir Bilder aus Pornos, Werbung und Filmen ausblenden?

Was war das Beste, was ich erfahren habe? Wann fühle ich mich als sexuelles Wesen? Wie nenne ich mein Geschlecht?« Gil lässt ihren Blick über die Frauen schweifen. Alle hören aufmerksam zu.
Sichtlich bewegt spricht sie weiter. »Sind das einfache Fragen? Ich glaube nicht. Obwohl an unserem Geschlecht nichts Schmutziges oder Hässliches ist, scheint es schon schambesetzt zu sein, seinen Namen auszusprechen.«
Eine blonde Frau mit tiefschwarz getuschten Wimpern sitzt auf einem Barhocker. Auf ihrem Namensschild steht PIA. Sie tuschelt mit der Frau im karierten Anzug neben sich. Dann lacht sie und wirft in einer provokanten Geste ihre Haare zurück. Sie trägt große Ohrringe, die die Form einer Vulva haben.
»Wie schön! Hier hat sich eine von uns davon befreit«, reagiert Gil sofort darauf. »Wie wir das Geschlechtsorgan nennen, zeigt, welche Bedeutung es für uns hat.«
Pia ruft: »Honigtopf!« Und zieht damit weitere Blicke auf sich. »Damit locke ich die Männer an und lasse sie daran schlecken.« Einige Frauen klatschen spontan.
»Danke! So einfach kann es sein, wenn wir uns trauen, darüber zu sprechen. Weitere Ideen? Scheide?«
»Gruselig!«, ruft die Frau im karierten Anzug.
»Klingt nach Mittelalter und Medizin«, ergänzt Pia.
»Vagina? Muschi? Vulva? Geheimer Garten? Ihr könnt euch gleich über die Begrifflichkeiten austauschen.«
Ich ertappe mich bei dem Gedanken, wie cool ich es fände, wenn nun alle anwesenden Frauen mit den Füßen stampfen und dazu im Takt Vul-va-Vul-va-Vul-va rufen würden. Das muss ich nachher unbedingt Ella sagen, sie könnte so etwas initiieren.
»Es ist also nicht damit getan, dass ihr mir heute einfach zuhört. Beteiligt euch, zeigt euch! Ich weiß, das kostet Mut. Doch wir sind keine Richterinnen, die urteilen oder gar verurteilen, die entscheiden, was gestört und was normal ist. Was ist schon normal? Es gibt Unterschiede, einfach deswegen, weil es unterschiedliche Frauen gibt. Glaubt mir, die Norm ist ein zu schmaler Grat für uns vielfältige Weiber.«
Alle lachen, manche in ihrer Anspannung zu laut.
»Außerdem können wir nicht einerseits für ein eigenes Begehren plädieren und andererseits ein Verhalten ablehnen, nur weil es uns vielleicht zu verklemmt oder zu progressiv erscheint oder sonst wie von der eigenen Vorstellung abweicht. Es geht nicht darum, bestimmte Handlungsweisen oder Fantasien aus dem Repertoire zu streichen, sondern um die Erweiterung des Spektrums. Vorausgesetzt …«
»… alle Beteiligten sind einverstanden!«, ergänzt Ella mit lauter Stimme und bewegt ihre Arme wie eine Dirigentin. Ich mustere die anwesenden Frauen verstohlen und freue mich, wie sie lockerer werden.
»Die Fragen, die ich aufgeworfen habe, beantworten wir sicher nicht alle heute. Wie schon gesagt, wir forschen.«
Beifälliges Nicken.
»Unterstützt werde ich heute von Ella, Sophia und Viktoria, die euch gleich erzählen wird, wie wir uns den Austausch beim Roten Mond Salon vorstellen. Ach ja, wer mich noch nicht kennt: Ich bin Gil Gardner, die Intendantin des Liliths. Außerdem bin ich Künstlerin, und, falls es euch beruhigt, ich habe einen Master of Science in Psychologie.«
Dann schaut sie mich an. »Viktoria, du hast das Wort.«
Ich trete vor. »Hallo.« Meine Stimme klingt dünn. »Ein herzliches Willkommen. Ich möchte euch erklären, wie wir uns den Abend gedacht haben.«
»Könntest du bitte etwas lauter sprechen?«, ruft eine rothaarige Frau, die weiter hinten auf einem Sofa sitzt. Unsicher schaue ich zu Gil. Sie nickt und winkt. Mit zitternden Knien steige ich die drei Stufen zum Podium hinauf. Und ich schaffe es, ohne zu stolpern. Ich atme ein und versuche, so selbstsicher zu sprechen wie Gil. Auch wenn ich dadurch deutlicher und lauter werde, klingt meine Stimme schrill. »Wir bilden drei Gruppen und verteilen uns an den Tischen.« Dabei zeige ich auf die Arbeitsinseln, die die Bühnenarbeiter nach meiner Zeichnung aus mehreren Tischen gebildet haben und auf denen Papiertischdecken liegen. »An jeder Insel beschäftigen wir uns mit einer anderen Frage. Ihr könnt von einem Tisch zum nächsten gehen. Ihr trefft dort Ella, Sophia oder mich, und wir erzählen uns gegenseitig von unseren Ideen. Gil hat bereits ein paar Anregungen auf die Papiertischdecken geschrieben. Ihr könnt gerne eure eigenen Gedanken dazu malen oder schreiben.« Beruhigt merke ich, dass meine Stimme nun normal klingt. »Ihr habt genug Zeit, an alle Tische zu gehen. Dann gehen wir in die große Runde, wo wir alle unsere Gedanken miteinander verbinden und diskutieren wollen. Bevor wir beginnen, gebe ich an Ella weiter, die uns mit einer Körperreise einstimmt.«
»Ich bitte euch, alle aufzustehen«, sagt Ella. Es wird kurz unruhig im Raum, als sich die Frauen von Sofas und Stühlen erheben.